Der kreisrunde Kirchsaal. Foto: Steffen Spitzner, Gera
Himmelszelt aus Holz und Lehm
Credits
Bauherr
Neuapostolische Kirche Nord- und Ostdeutschland
Handwerksbetrieb
Lehmbau Birke, Dresden
Architekt
Reiter Architekten GmbH, Dresden
Baufachhandel
Bauen+Leben, Stolpen-Helmsdorf
Lehm
conluto Vielfalt aus Lehm, Blomberg
Dreigestirn: Himmel, Erde und Sonne im Einklang
Wer durch das bewusst niedrig gehaltene Foyer den Kirchsaal zum ersten Mal betritt, dessen Blicke richten sich ohne Umschweife unmittelbar nach oben. Ein modernes, zeltartiges Gewölbe aus 24 exakt gefrästen Leimholzbindern schwingt sich bis zu einem außermittig angebrachten Oberlicht dem Himmel entgegen. Das Oberlicht beleuchtet den gesamten Kirchsaal. Im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten wandert das einfallende Licht durch den Raum, bei hochstehender Sonne trifft es direkt auf den Altarbereich des Kirchsaals. Im Zentrum des Altarbereichs zeigt sich der Altar selbst als schwerer Sandsteinblock vor einer grob gekörnten, lehmverputzten Wand, die den Kirchraum kreisrund umschließt. Hinter dem Altar ist ein Kreuz aus geglättetem Lehmputz eingelassen.
Die kreisrunde Form des Kirchsaals und die schwere Materialität der lehmverputzten Wand und des Altars sollen dem Besucher die Möglichkeit bieten, zur Ruhe zu kommen und sich spirituellen Erfahrungen öffnen zu können. Lehm und die Rundform des Saals stehen als Symbol für die Erde, das Gewölbe und das Oberlicht als Symbol für Himmel und Sonne.
Die perfekte Schallabsorbtion – Schilf, Lehm-Edelputz und Blähton
Die Innenwände des Holzständerwerks sind mit Seekieferplatten beplankt, rückseitig versehen mit einer Zellulose-Einblasdämmung von isofloc. Da das holzähnliche Material kaum Wärme leitet, bleibt die wertvolle Heizenergie im Winter im Gebäude und sorgt im Sommer für kühle und gleichmäßige Innentemperaturen. Außerdem kann es gut mit Feuchtigkeit umgehen, diese puffern und wieder abgeben. Das Material wird so lange in den Hohlraum eingeblasen, bis eine setzungssichere Verdichtung erreicht ist. Das Einblasen geht schnell und ist unkompliziert.
Wesentlich aufwendiger hingegen gestaltete sich der Oberflächenaufbau der Seekieferplatten, der aufgrund der Kreisform des Kirchsaals möglichst viel Schall absorbieren sollte, um eine ausgewogene und harmonische Raumakustik zu gewährleisten. „Runde Räume reflektieren den Schall anders als eckige Räume. Ein runder Raum tendiert dazu, alle Schallreflektionen auf die Raummitte zu bündeln, dann werden sie wieder auf die Wand reflektiert und wieder zurück und so weiter. Auf diese Weise bilden sich Raummoden, die an verschiedenen Stellen im Raum unterschiedliche Höreindrücke hinterlassen“, weiß Moritz Birke, der Lehmbau-Fachmann.
„Wir mussten also die Holzplatten mit einem Lehmaufbau versehen, der möglichst viel Schall absorbiert, hart genug ist und gleichzeitig auch noch schön aussieht. Bis wir die perfekte und allen Anforderungen gerecht werdende Lösung gefunden haben, hat es allerdings gedauert“, erinnert sich Birke.
Zum Niveauausgleich der Stromleitungen, die auf den Seekieferplatten montiert waren, wurden zunächst Schilfputzträger angebracht. „Die Zwischenräume der Schilfrohrhalme und die raue Oberfläche des Schilfs sorgen für die gute Haftung des anschließenden Lehmputzes. Die hohe Biegefestigkeit von Schilf garantiert ein ausreichendes Tragvermögen auch bei hohen und damit schweren Putzstärken“, so Moritz Birke. Auf die Schilfputzträger wurden anschließend 20mm starke Schilfrohrplatten montiert. Die in den Hohlräumen des Schilfrohrhalmes enthaltene Luft – sowie die Luftschichten zwischen den einzelnen Halmen der Schilfrohrplatte – sorgen für die guten Wärmedämm- und Schallschutzeigenschaften. Wichtig war, daß die Schilfplatten über eine möglichst geringe Maßtoleranz verfügen. „Die von uns eingesetzten Platten weisen eine Toleranz von lediglich +/- 1 cm in der Breite und Länge, sowie +/– 0,3 cm in der Stärke aus. Also optimal, um keine späteren Ausgleichsputzarbeiten vornehmen zu müssen.“
Zu Testzwecken wurden insgesamt 15 verschiedene Plattenaufbauten umgesetzt und in einem Akustiklabor auf ihre Schallabsorbtion getestet. „Letzlich hat sich eine Variante durchgesetzt, die aus einem Schilfputzträger, einer Schilfplatte, einem Gemisch aus conluto Edelputz und 4mm conluto Blähtonkugeln besteht. Abschließend wurde die Oberfläche noch mit der conluto Lehmfarbe Lehmocker besprüht und mit einer conluto Kaseingrundierung versehen. Sie fixiert den Lehmputz, egalisiert und verbessert die Gleichmäßigkeit des Farbauftrages“, meint Moritz Birke.